In unserem ersten Beitrag reden / schreiben wir über das, was man - noch - sieht, wenn es dunkel wird. Du erfährst, warum Nachts alle Katzen grau sind, warum man die Katzen nie so ganz scharf sieht, warum Fangschreckenkrebse die Katze ganz leicht sehen könnten und wie das alles miteinander zusammenhängt.
Wann haben Sie Ihren letzten Sonnenaufgang erlebt. Ich meine draußen in der Natur, weit weg von der Stadt, im Gras sitzend auf einem kleinen Hügel. Um Sie ist zuerst noch tiefe Nacht. Die Landschaft wird nur beschienen von den Sternen und der Sichel des Mondes. Die ganze Welt ist schwarz in schwarzen Nuancen, Konturen lassen sich nur erahnen, alles um sie versinkt in Farblosigkeit. Dann erscheint am Horizont der erste Silberstreif des kommenden Tages.
Langsam wird er heller, und wenn sie Glück haben beginnen sich in einem grandiosen Farbspiel der Natur zuerst die unteren Ränder der Wolken, dann der ganze Horizont in ein leuchtendes Farbenfeuerwerk zu verwandeln. Wellen von Rot und Orange am Himmel, durchbrochen vom bläulichen schwarz. Bis dann irgendwann die ersten Strahlen der Sonne sich glühend und wärmend den Erde entgegenstrecken. Langsam wird es Licht um uns herum. Weizenfelder werden wieder gelb, das Gras bekommt sein sattes Grün zurück und die Blumen beginnen zu leuchten, während sie ihren Kelch dem ankommenden Licht entgegenstrecken.
Aber warum ist das so? Warum sehen wir in der Dämmerung keine Farben? Warum sehen wir so, wie wir sehen, wenn das Licht noch ganz schwach ist? Warum fällt es uns schwer, im Sternenlicht Gegenstände zu fokussieren?
Physikalisch vereinfacht gesprochen ist Nacht, die Dunkelheit, die Abwesenheit von elektromagnetischen Wellen im Bereich zwischen 400 und 750 nm (Nanometer). Um ganz genau zu sein: Bei Licht können wir weder von Wellen noch eindeutig von Teilchen (Photonen) sprechen. Es vereinigt Eigenschaften beider Formen in sich. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Das, was wir ‚sehen‘ ist die Reflektion von elektromagnetischer Strahlung von der Oberfläche von Gegenständen (Licht), beeinflusst von der Oberflächenstruktur dieser Gegenstände und der Wellenlänge der ursprünglichen Strahlung (Farbe), dessen Energiedichte (Helligkeit), aufgefangen von den elektromagnetischen Rezeptoren unseres Körpers (Augen). Hört sich gut an? Daran habe ich auch eine ganze Zeit herumgefeilt. Aber Rettung ist in Sicht, ab hier wird’s beträchtlich leichter.
In unserem Auge sorgen bekanntermaßen Zäpfchen für das Farb-Sehen und Stäbchen für das Hell-Dunkel-Sehen. Während die Stäbchen schon auf einzelne Photonen reagieren, benötigen die Zäpfchen eine viel höhere ‚Lichtstromdichte‘. Daher sehen wir in der Dämmerung keine Farben und alle Katzen bleiben grau. Erst wenn die entsprechende Energiedicht erreicht ist, beginnen die Nervenzellen der Stäbchen zu feuern: Aus dem Silberstreif des Morgens entsteht die Farbenpracht des Sonnenaufgangs.
Die Zapfen stehen in der Mitte unserer Netzhaut am dichtesten, die Anzahl nimmt nach außen hin ab. Genau umgekehrt verhält es sich mit den Stäbchen. Da im Schärfebereich eher die Farbrezeptoren überwiegen, sehen wir argo in der farblosen Dämmerung also eher unscharf, weil sich die Stäbchen mehr im ‚unscharfen‘ Randbereich befinden.
Bleibt noch die dritte Frage: Warum sehen wir, wie wir sehen? Antwort. Weil wir mit den Stäbchen Hell und Dunkel wahrnehmen und wir drei Typen von Zäpfchen haben die auf unterschiedliche Frequenzen (Farben) reagieren: Rot – Grün – und Blau. Wir reihen uns also in den sogenannten 3-Stäbchen-Typus ein. Einige Wale und Robben sehen nur monochromatisch, können also keine Farben unterscheiden. Die meisten Säugetiere (z.B. Hunde und Katzen) sehen nur in zwei Farben und sind rot/grün-blind. Absolute Meister des Farbsehens ist der Fangschreckenkrebs: Diese Gattung ist mit sage und schreibe 8 verschiedenen Rezeptoren für das Farbsehen plus 4 für das Infrarotlicht ausgestattet. Kunstdrucke für diese Gattung herzustellen, das fiele sogar uns schwer.
Habe ich Dich mit diesem Thema ‚angefixt‘? Willst du mehr darüber wissen? Dies sind unsere Quellen und hier kannst du Dich weiter informieren:
Wikipedia: Zäpfchen und Stäbchen
https://de.wikipedia.org/wiki/Zapfen_(Auge) oder / und https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4bchen_(Auge)
Farbmodelle: Licht und wie Farben wahrgenommen werden
https://homepages.thm.de/~hg10013/Lehre/MMS/SS01_WS0102/Farbmodelle/Kapitel/Kapitel2.html
Uni Giessen: Beitrag der UniGiessen zur Farbwahrnehmung
http://www.allpsych.uni-giessen.de/karl/teach/farbe.html
Simplysince: Von Zapfen und Stäbchen:
https://www.simplyscience.ch/teens-liesnach-archiv/articles/von-zapfen-und-staebchen.html
IG-Team.de: Das Themen-Bild zu diesem Artikel ist:
'Le Mirroir de l'âme' von Patrice Murciano, IG 8594-POD
https://ig-team.de/suche/ig%208594-pod/ig%208594-pod/